Fast alle japanischen Stemmeisen müssen vor der ersten Benutzung zunächst eingerichtet werden. Zum »Einrichten« gehört das Vorbereiten des Hefts, das Abrichten der Spiegelseite und das Schärfen der Stemmeisen. Oft gilt sogar: je hochwertiger das Eisen, desto »unfertiger« wird es ausgeliefert. Warum ist das so und was ist dann zu tun? Diese Fragen beantworten wir in diesem Blogbeitrag.
Ist »gebrauchsfertig« ein Qualitätsmerkmal?
Japanische Stemmeisen werden meist von kleinen Manufakturen hergestellt. Der Schmied legt all sein Können und seine Erfahrung in die Herstellung der Klinge und die Qualität des Eisens. Alle Tätigkeiten am Eisen, die der Handwerker früher oder später selbst vornehmen muss, werden ihm von Anfang an überlassen. Das kann so weit gehen, dass nicht optimal gehärtete Werkzeugspitzen vom Schmied rigoros weggeschliffen werden. Das bedeutet, dass die Eisen nicht spitz sind, sondern eine mehr oder weniger große Fläche an der Spitze aufweisen.
Mein japanisches Stemmeisen bricht ständig aus. Was ist zu tun?
An Stemmeisen, bei denen der Bereich der »Fehlhärtung« nicht weggeschliffen wurde, kann es vorkommen, dass die Schneide zu hart ist und schnell ausbricht oder zu weich ist und sich umbiegt. Das ist durchaus normal und hört von alleine auf, wenn nach ein paar Mal Nachschärfen der erste Millimeter weggeschliffen ist. Bedenken Sie jedoch, dass für die Schneidlage traditionell ein sehr harter und vergleichsweise spröder Kohlenstoffstahl verwendet wird. Japanische Stemmeisen verkraften deshalb Hebelbewegungen an der Schneide schlechter als westliche Stemmeisen aus Chromstahl.
Was ist zu tun, um ein japanisches Stemmeisen gebrauchsfertig zu machen?
Als erstes muss die hintere Zwinge, das ist der Ring am Griffende, richtig aufmontiert werden. Für den Transport sind die Zwingen meist bereits auf die Stemmeisen aufgeschlagen. Manche Hersteller stecken die Zwingen allerdings verkehrt herum auf, damit sie sich während des Transports nicht vom Griff lösen. Um die Zwinge vom Griff zu entfernen, spannen Sie den Griff fest ein, entweder in die Hinterzange der Hobelbank oder in einen anderen geeigneten Schraubstock mit Backen, die den Griff nicht beschädigen. Die Zwinge lässt sich dann mit ein paar Hammerschlägen auf ihren unteren Rand leicht vom Griff lösen. Kontrollieren Sie dann, in welcher Orientierung die Zwinge auf den Griff wieder aufmontiert werden muss. Die Zwingen sind innen leicht konisch, sie haben also eine engere und eine weitere Öffnung. Die weitere Öffnung soll zum Griff zeigen!
Mit Hilfe eines Nageleisens wird die Zwinge auf den Griff aufgetrieben
Nun sollten Sie die Zwinge kräftig auf das Ende des Griffs auftreiben. Sie können das Eisen dazu in ein Stück Hartholz schlagen oder Sie spannen es mit der Schneide, den Griff nach oben zeigend, in die Vorderzange oder einen Schraubstock. Verwenden Sie in jedem Fall Schutzbacken, damit sowohl die Spannzange als auch das Stemmeisen geschützt sind. Am einfachsten lässt sich die Zwinge mit einem japanischen Nageleisen auftreiben. Treiben Sie die Zwinge so weit auf, dass das Ende des Holzgriffs ca. 2 mm hinter der Zwinge übersteht. Ist der Griff am Ende zu dick und lässt sich die Zwinge nicht weit genug auftreiben, muss am Griff rundum etwas Material abgetragen werden. Das geht schnell und einfach mit einem anderen Stemmeisen oder Sie benutzen dazu eine Raspel oder Ähnliches. Ist der Holzgriff am Ende zu klein und steht das Holz weiter über den Zwingenrand hinaus, sägen Sie dieses Zuviel einfach mit einer Handsäge nach 2 mm ab.
Jetzt wird mit kreisförmigen, nach außen gerichteten Hammerschlägen das überstehende Holz über den Zwingenrand umgeschlagen und so die Zwinge fixiert. Durch leichtes Schrägstellen des Hammerkopfs – so dass Sie mit der Kante der Bahn treffen – werden die Holzfasern dabei voneinander gelöst und umgebogen, ohne abzubrechen. Damit das besser geht, können Sie das Ende des Griffs vor dem Auftreiben der Zwinge auch kurz in Wasser einweichen. Ein bis zwei Minuten sollten genügen, damit das Griffende nicht unnötig aufquillt. Als Resultat sollte sich die Schlagfläche des Stemmeisens pilzförmig über den Zwingenrand wölben und dadurch stabil genug sein, um dass das Eisen mit einem Stahlhammer schlagen zu können, wie es in Japan üblich ist.
Das Griffende wird durch Schläge mit dem Hammer »aufgepilzt«
Müssen japanische Stemmeisen vor der Benutzung geschärft werden?
Als nächstes muss die Spiegelseite plan abgerichtet werden. In Japan wird dazu traditionell eine spezielle Abrichtplatte aus Stahl zusammen mit Silizium-Karbid-Pulver verwendet. Diese Methode ist langwierig und kräftezehrend. Wir verwenden stattdessen einen Diamantblock, der auch für das Schärfen verwendet werden kann. Die ganze Fläche des Stemmeisenblatts sollte sauber aufliegen und die verjüngte Stelle zwischen Blatt und Griff, der sogenannte Hals, etwas hohl sein, damit die Spiegelfläche klar definiert ist. Manche Eisen haben an dieser Stelle einen regelrechten Steg. Ist ein solcher vorhanden, sollten Sie ihn unbedingt vor dem Abrichten wegschleifen, da Sie ansonsten die Planheit der Spiegelseite beim Abziehen nicht reproduzieren können. Richten Sie die Spiegelseite so lange ab, bis der Rand um den Hohlschliff bzw. mindestens die vorderen 2 bis 3 Zentimeter sauber plangeschliffen sind. Polieren Sie die Spiegelseite anschließend mit einem frisch abgerichteten Abziehstein nach. Auch bei den gebrauchsfertigen Stemmeisen ist dieser Arbeitsschritt unbedingt notwendig. Die Planheit der Spiegelseite ist bei gebrauchsfertigen Eisen nicht immer gewährleistet und sollte deshalb unbedingt überprüft werden.
Der letzte Schritt zum »fertigen« Stemmeisen ist das Schärfen. Weil die japanischen Stemmeisen einen sehr feinkörnigen, hoch gehärteten Schneidenstahl besitzen, vertragen sie einen stumpferen Schneidenwinkel, als er bei westlichen Stemmeisen üblich ist. Wir schärfen unsere japanischen Stemmeisen, die in der DICTUM Kurswerkstatt verwendet werden, auf 35°. Da die Klingen meist zum Griff hin dicker werden und die Stemmeisen ein relativ kurzes Blatt haben, sind die meisten Schärfführungen dafür ungeeignet. Das Veritas Schärfsystem II mit Zweibacken-Führung eignet sich allerdings hervorragend. Mit ihm und einem Satz Schärfsteinen lassen sich auch japanische Eisen schnell, einfach und wiederholgenau schärfen.
Nur wenige Schärfführungen eignen sich zum Schärfen japanischer Eisen
Wie werden japanische Stemmeisen richtig gepflegt?
Sie wissen jetzt, was notwendig ist, um ein japanisches Stemmeisen »startklar« zu machen. Diese Arbeitsschritte sind auch notwendig, um es einsatzbereit zu halten. Regelmäßig geschärft werden müssen die Stemmeisen ohnehin, und wenn Sie darauf achten, dass die Spiegelseite beim Nachschärfen plan bleibt, müssen Sie lediglich die hintere Zwinge von Zeit zu Zeit neu aufmontieren. Dies ist jedoch erst wieder notwendig, wenn sich das pilzförmige Ende abgenutzt hat, was unter Umständen Jahre dauern kann. Das alles gilt auch für die sogenannten »gebrauchsfertigen« japanischen Stemmeisen.