Neben dem Einsatzzweck des Drechselwerkzeugs, beispielsweise als Form- oder Schalenröhre, Schaber und Abstechstahl, dem Anschliff sowie der Form und Länge des Griffs hat vor allem der verwendete Stahl bzw. dessen Wärmebehandlung einen großen Einfluss auf die Nutzung des Drechseleisens. Wir erklären Ihnen die Unterschiede zwischen den Stählen und ihre Eigenschaften.
Welche HS-Stähle gibt es bei Drechseleisen?
M2-HSS
High Speed Steel (HSS) entsteht durch Beilegieren von Chrom, Molybdän, Wolfram und Vanadium. Er ist ein bis ca. 570 °C warmfester Stahl mit hoher Abriebfestigkeit. Die meisten Hersteller von Drechseleisen verwenden den äußerst standfesten M2-HSS als Klingenmaterial für ihre Standardversionen. Die Größe der Karbide im Stahlgefüge liegt bei bis zu 12 μm.
M42-HSS
M42-Stahl wurde ursprünglich für die Metallbearbeitung entwickelt und schneidet somit selbst exotische Harthölzer oder Verbundmaterialen mühelos. Seine im Vergleich außergewöhnlich hohe Standzeit verdankt der Stahl der zehnprozentigen Beimengung von Kobalt. Es befinden sich deutlich mehr Karbide im Gefüge*, die zudem sehr fein sind (bis zu 7 μm). Hierdurch ergibt sich die Verdopplung* der Standzeit und eine sehr feine Schneidenausbildung.
*im Vergleich zu Standard M2-HSS
Was ist pulvermetallurgischer Stahl (PM-Stahl)?
Die Legierung von Stählen hat aufgrund der unterschiedlichen Schmelzpunkte der Legierungsbestandteile und anderer Eigenschaften ihre Grenzen. Um darüber hinaus Werkstoffe zu schaffen, die speziell auf den jeweiligen Anwendungszweck zugeschnitten sind, wird das »Sintern« verwendet. Darunter versteht man ein Verfahren, bei dem aus pulvrigem oder körnigem Stahl unter Einfluss von hoher Temperatur und Druck ein fester Körper entsteht. So lassen sich auch Stähle mit Legierungsbestandteilen herstellen, die im flüssigen Zustand nur schwer mischbar sind, wie z. B. Wolframlegierungen.
Die für den PM-Stahl von Crown® verwendeten Legierungsbestandteile Wolfram und Kobalt beispielsweise ermöglichen wichtige Eigenschaften speziell für Drechseleisen. Das Wolfram (10,5 %) reduziert die Abstumpfung von Schneiden bei erhöhter Wärmeentwicklung an der Spitze (Reibung durch die Drehbewegung des Werkstücks) um das Fünffache und macht das Drechseleisen unempfindlich gegenüber dem Trockenschliff auf Schnellläufern. Das Kobalt (8 %) erhöht die Zähigkeit und schützt somit die Drechselwerkzeuge vor Bruch, selbst bei härtesten Beanspruchungen.
PM-Stahl ist der Stahl der Wahl für exotische Harthölzer, Kunstharze, Laminate oder Holz mit mineralischen Einschlüssen.
Mikroskopaufnahmen (v.l.n.r.): M2 HSS, M2 HSS Cryogenic und M42 HSS Cryogenic besitzen deutlich erkennbare Unterschiede in der Karbidstruktur
Welche Unterschiede gibt es in der Wärmebehandlung?
Kryogenisches Härten ist ein technisch aufwendiges Verfahren, bei dem der Stahl nach dem Härten computergesteuert auf bis zu minus 150 °C abgekühlt wird. Diese Tiefentemperaturbehandlung findet in der Regel vor dem Anlassen statt und ist damit untrennbar mit dem Härteprozess verbunden. Der Stahl enthält durch diese Behandlung feinere Karbide mit einer Größe von bis zu 6 μm, die sich so bei normalen Härteprozessen nicht ausbilden. Daraus ergeben sich hervorragende Eigenschaften wie längere Standzeiten, feine Schneidenausbildung mit geringer Gratbildung und einfacheres Schärfen. »M2-HSS Cryogenic« wird zum Beispiel für einige Drechseleisen bei Henry Taylor verwendet. Hersteller Crown nutzt für seine hochwertigen Drechselwerkzeuge »M42-HSS Cryogenic«.
Wie unterscheiden sich die Stahlsorten bzw. die unterschiedlichen Wärmebehandlungen beim Schärfen?
Für das Schärfen von höherlegierten Stählen wird mehr Zeit benötigt als bei Standard-HSS. Die längere Standzeit der Drechselwerkzeuge rechtfertigt jedoch den erhöhten Schärfaufwand. Viele Drechsler verwenden zum Schärfen ihrer Werkzeuge einen sog. Langsamläufer mit CBN-Scheibe. Diese Kombination entfernt Material schnell und effektiv, so dass sich die Unterschiede im Stahl bei weitem nicht so gravierend auswirken wie beim Schärfen auf Nassschärfmaschinen.
Alle genannten Stahlsorten, auch kryogenisch gehärteter Stahl, können auf gebräuchlichen Schärfsystemen geschärft werden. Als Schleifmittel für harte Stähle (HSS und PM) haben sich vor allem die Tormek Schleifscheibe Blackstone Silicon SB-250 und die DICTUM CBN-Schleifscheiben Black Crystal (unterschiedliche Ausführungen erhältlich, z. B. umfangbeschichtete CBN-Schleifscheibe Black Crystal) bewährt.
Mit dem passenden Schleifstein lassen sich auf der Tormek nahezu alle Drechselwerkzeuge schnell nachschärfen
Eine Ausnahme beim Schärfen sind Schaber aus kryogenisch gehärteter Stahl. Schaber schneiden in der Regel durch einen Grat an der Schneide. Der Grat bildet sich bei herkömmlichen Stählen beim Schärfen von selbst, kann aber auch nachträglich angezogen werden, ähnlich wie bei einer Ziehklinge. Drechseleisen aus kryogenisch gehärteter Stahl haben eine geringere Gratbildung, was bei Röhren, Meißeln und Abstechstählen durchaus erwünscht ist. Bei Schabern aus kryogenisch gehärteter Stahl muss der Grat in einem zweiten Arbeitsschritt angezogen werden. Durch das kontrollierte Anziehen und die feine Schneidenausbildung ist der Grat dann sehr gleichmäßig. Da die meisten Drechsler den zusätzlichen Arbeitsschritt scheuen, bieten wir bei DICTUM Schaber aus kryogenisch gehärteter Stahl nur als Sonderbestellung an.