Präzise anreißen und prüfen mit dem Schreinerwinkel
 

Der Schreiner- oder Tischlerwinkel gehört zur Grundausstattung jeder Holzwerkstatt. Er ist das Basistool zum Anzeichnen, Übertragen und Prüfen von rechten Winkeln bzw. Linien im 90°-Winkel. Zu einem günstigen Preis sind Mess- und Prüfwerkzeuge nur selten in guter Qualität zu bekommen. Sie brauchen aber auch keine Luxusgegenstände mit Edelholzeinlagen oder unzähligen Zusatzfunktionen, die meist sowieso kaum genutzt werden. In diesem Blogbeitrag geben wir Ihnen Tipps, was Sie bei der Auswahl eines Winkels beachten sollten und wie Sie auch mit einfachen Anschlagwinkeln präzise anzeichnen können.

Die für den Holzbearbeiter wichtigsten Winkel, 90° (rechter Winkel) und 45° (Gehrungswinkel), können Sie mit dem Schreinerwinkel und dem Gehrungsmaß prüfen und anreißen. Beide Werkzeuge gehören zu den sog. Anschlagwinkeln und sind ähnlich aufgebaut: das Kopfstück (Anschlag) ist mit der Zunge (Messlineal) in einem definierten Winkel (90° oder 45°) fest verbunden.

Anschlagwinkel

Schreinerwinkel und Gehrungsmaß gehören in die Grundausstattung jeder Holzwerkstatt

 

Was kann man mit einem Anschlagwinkel machen?

  1. Winkel prüfen
  2. Winkelgenaue Linien anreißen
  3. Maße bzw. Markierungen übertragen
  4. Hilfsanschlag (z. B. an Bandsägen)

Wie kann ich einen Schreinwinkel prüfen?

Damit ein Anschlagwinkel die zuvor genannten Aufgaben zuverlässig erfüllen kann, muss er den 90°- oder 45°-Winkel genau einhalten. Zum Prüfen der Rechtwinkligkeit eines Anschlagwinkels (90°) wird die sogenannte »Umschlagmethode« verwendet. Legen Sie dazu den Anschlagwinkel an einer geraden Kante an und ziehen eine Linie entlang der Zunge. Nun schlagen Sie den Winkel um, d. h. sie wenden den Winkel um 180°, so dass der Anschlag die Seite wechselt. Ist der Schreinerwinkel rechtwinklig, laufen Zunge und Anriss exakt parallel.

Schreinerwinkel prüfen

Mit der sog. Umschlagmethode kann ein Anschlagwinkel auf Rechtwinkligkeit geprüft werden

 

Um die Winkligkeit eines Gehrungsmaßes (45°) zu überprüfen, benötigen Sie eine rechtwinklig zugeschnittene Platte. Legen Sie das Gehrmaß an einer Seite an und ziehen Sie mit etwas Abstand zu einer Ecke eine Linie. Nun legen Sie das Gehrungsmaß an der Kante an, die zur ersten Seite im 90° Winkel steht und überschlagen es wie beim Schreinerwinkel. Wenn der 45°-Winkel stimmt, laufen die gezogene Linie und die Zunge des Gehrungsmaßes parallel.

Gehrungsmaß prüfen

Zum Prüfen eines Gehrmaßes wird ein Werkstück mit rechtwinkliger Ecke benötigt

 

Wie kann ich einen ungenauen Anschlagwinkel richten?

Nur wenige Anschlagwinkel bieten Möglichkeiten, die Winkligkeit bei Abweichungen über Schrauben fein nachzustellen (z. B. Ulmia Präzisionswinkel »Alu-Line«). Beim japanischen Zimmermannswinkel »Sashigane« kann die Winkligkeit durch Hammerschläge auf die etwas verdickte Winkelecke korrigiert werden. Bei anderen Winkeln aus Metall (z. B. Deutscher Zimmermannswinkel) können Sie durch Einkerben mit einem Körner die Winkligkeit geringfügig korrigieren. Bei einfachen Tischlerwinkeln können Sie Abweichungen oft nur durch Nachfeilen der Zunge korrigieren. Dies erfordert großes handwerkliches Geschick und lohnt sich meist nicht.

Tipps zum Anreißen mit Schreinerwinkel und Gehrungsmaß

Der Gebrauch eines Anschlagswinkels ist relativ einfach. Wichtig ist, dass Sie darauf achten, dass das Kopfstück stets sauber an der Werkstückkante anliegt. Es dürfen keine Späne oder losen Fasern zwischen Anschlag und Kante liegen. Mit einem Schreinerwinkel können Sie rechtwinklige Linien zu einer Referenzkante ziehen, mit dem Gehrungsmaß Linien in einem Winkel von +/- 45° dazu. Manche Schreinerwinkel (z. B. Schreinerwinkel Aluminium) haben ein Kopfstück, dessen oberes Ende in 45° abgesetzt ist. Damit können Sie auch Gehrungen anzeichnen, da die Anlagefläche jedoch recht kurz ist, wird der Riss meist nicht so genau wie mit einem Gehrungsmaß.

Achten Sie darauf, den Anschlagwinkel stets an derselben Referenzkante (Fügekante) anzulegen. Beim Übertragen oder Verlängern wird zuerst das Markiermittel (Bleistift oder Messer) in die vorhandene Markierung eingesetzt und dann der Winkel mit sanftem Druck dagegen geführt, nicht umgekehrt. Wie immer beim Anreißen müssen Sie darauf achten, dass das Markiermittel rechtwinklig zur Oberfläche und mit stetigem Kontakt zur Kante der Zunge geführt wird. Eine ziehende Bewegung (auf sich zu) ist dabei meist einfacher und genauer als eine schiebende (von sich weg).

 

Tipps zum Prüfen von Winkeln

 

Zum Prüfen der Winkligkeit einer Fügekante legt man in der Regel den Anschlagwinkel mit der Kopf an der Fläche des Werkstücks an und schaut, ob die Kante parallel zur Zunge läuft (Lichtspaltmethode). Eventuell vorhandene Abweichungen können Sie jedoch viel besser erkennen, wenn Sie den Winkel mit dem Kopf auf die Kante setzen. Die lange Zunge läuft dann mehr oder minder parallel zur Werkstückfläche und Abweichungen sind deutlicher zu erkennen.

Wird ein Möbelkorpus montiert und verleimt, wird dabei stets auch geprüft, ob er im rechten Winkel steht. Praktisch ist dann ein Anschlagwinkel mit einer kleinen Aussparung (Falz) an der Außenecke von Kopf und Zunge. Diese Aussparung verhindert, dass der Winkel mit eventuell herausgequollenem Holzleim verschmutzt wird. Wenn möglich, verwenden Sie zum Prüfen größerer Korpusse oder Balkenkonstruktionen auch einen größeren Winkel (Zimmermannswinkel). Zum Prüfen von Korpussen ist nach unserer Erfahrung jedoch das sog. Stichmaß immer noch die beste Methode.

Winkelkante prüfen

Auf diese Weise sind Abweichungen besser zu erkennen

 

Teiles dieses Blogbeitrags sind unserem Onlinekurs »Präzise anreißen« entnommen. Wenn Sie Ihre Fähigkeiten beim Messen, Markieren und Übertragen verbessern möchten, ist dieser Online-Workshop für Sie bestimmt interessant.